Die Tradition bleibt erhalten … Osterfeuer am Ostersamstag, 16. April 2022
Spätestens dann, wenn früher in den Lerbacher Bäckereien Biel, Münnecke, Schubert und Carsten aufgespaltene Fackeln zur Trocknung in den Backstuben auftauchten, dann war klar, dass Ostern nicht mehr weit weg war. Heute werden die originalgetreuen OsterfeuerFackeln in Lerbach von Rainer Kutscher handwerklich, erschwinglich und luftgetrocknet gebaut – auch das ist sehr anerkennenswert!
„Der letzte Fackler“ bei der Arbeit – (c) Rainer Kutscher
RösteFeuer – (c) Günther Koch
Historisch gesehen finden seit Menschengedenken im Frühjahr besondere Feuer statt. Osterfeuern werden ursprünglich verschiedene rituelle Anlässe zugeschrieben. Aber die meisten Menschen freut es schon, damit den Winter zu verabschieden und gleichzeitig den Frühling zu begrüßen.
Aus alter Tradition finden auf den Höhen in Lerbach am Ostersamstag seit Jahrhunderten mehrere Osterfeuer statt. Die Osterfeuerplätze sind weit genug auf den Höhen von der Ortsbebauung entfernt, damit durch das Feuer keine Gefahr entsteht.
Osterfeuer – hoch über dem Tal – (c) Günther Koch
Von den ehemals fünf Osterfeuern in Lerbach haben sich zwei Osterfeuer in gesonderten Osterfeuergruppen organisiert. In OberLerbach am Drachensteigeplatz der oberen Mühlenwiese durch die Osterfeuergruppe „Hexenzipfler“ und in UnterLerbach am Hoppenberg durch die Osterfeuergemeinschaft Lerbach e.V. So wird alles geregelt und die Anliegen und Vorschriften der Forst und der Behörden werden eingehalten. Konkurrenz untereinander? Ja, jeweils sehr aktiv mit wechselnden Varianten und immer miteinander im positiven Sinne!
Im Jahr 2015 wurde in Oberlerbach mit dem Umzug des Osterfeuerplatzes von der Gülden Kirche zum Drachensteigeplatz eines der eigentlich Jahrhunderte alten Osterfeuer zum 50.sten Mal seit 1965 gefeiert. Warum nur 50? Seitdem wird eine Schatulle vergraben, in der alle Osterfeuer-Beteiligten genannt sind.
Nach den zwei Pandemie-Ausfalljahren findet das Osterfeuer gemäß der Oberlerbacher Schatulle jetzt also zum 55.mal statt. Schnapszahl!
Osterfeuergruppe „Hexenzipfel“ – – (c) Frank Koch 4. Reihe vlnr.: Günther Koch, Maik Grothe, Alexander Koch, Markus Riedel, Mareike Riedel, Ayke Bücher, Linus Langner, Tom Koch, Maurice Kutscher, Philip Langner, Moritz Giuri, 3. Reihe vlnr.: ?, Klaus-Werner Kaiser, Markus Raab, Brian Fischer, Andreas Giuri, Stefan Koch, 2. Reihe vlnr.: Fabian Canal, Mark Rosenberg, Kai Pförtner, Timo Grüneberg, Olaf Braun, 1. Reihe vlnr.: Benny Kroker, Frank Koch, Rolf Kirschstein, Joachim Koch, Sebastian Kutscher
Sehr lesenswert sind auch die Osterfeuer-Berichte von Rainer Kutscher in Unser Harz 4/2021, Seite 68-70 und Frank Koch in den Lerbacher Heimatblättern Nr. 51/2021, Seite 34. Besonders erfreulich ist deshalb auch, daß nach den zwei Corona-Ausfalljahren die alte Tradition in diesem Jahr nur bedingt verändert und angepasst weitergeführt werden kann.
Die grüne Hecke aus der Forst ist wegen der Borkenkäferschäden weitgehend verschwunden und damit wenig vorhanden, aber auch die Lerbacher Wiesenhänge können Einiges an natürlichem Baumaterial hergeben und schaffen Licht und Luft im Tal.
Die Organisation der Osterfeuer läuft zwar ehrenamtlich, aber nicht ohne Kosten. Früher wurde in Lerbach von Haus zu Haus zum Osterfeuer zur Kostendeckung gespendet und „gesammelt“? Heute nehmen für OberLerbach Alexander Koch und für UnterLerbach Kassenwart Nick-Andre Viebrans gerne einen Obulus entgegen.
Jedes Jahr müssen für dieses traditionelle Ereignis erhebliche Mengen FichtenHecke und Holz transportiert, meist geschleppt und eine geeignete Fichte als Richtebaum ausgewählt werden. Aber wie auch in diesem Jahr werden schon im Januar die ausgedienten Weihnachtsbäume im langen Lerbachtal für das Osterfeuer eingesammelt und einer zweiten Verwendung zugeführt.
Weihnachtsbaum-Sammlung für Osterfeuer – (c) Rüdiger Viebrans
Weihnachtsbaum-Sammlung für Osterfeuer – (c) Rüdiger Viebrans
Osterfeuer-Vorbereitungen – (c) Rüdiger Viebrans
Das Ganze zieht sich einerseits mühsam über Wochen hin mit dem aufräumen und vorbereiten des Osterfeuerplatzes, andererseits aber auch mit gemeinsamen Stunden am wärmenden Lagerfeuer.
Das alles geschieht bei unterschiedlichsten Bodenverhältnissen und Wetterbedingungen. Oftmals kommt auch immer nochmal Schneefall dazwischen. Aber das ist allemal besser als Dauerregen.
Lerbach im Oberharz. Mit Schnee muß immer gerechnet werden … – (c) Jörg HüddersenEigentlich ein Sauwetter, aber die Schufterei ist für einen guten Zweck und ein gutes Ziel … – (c) Günther Koch
Für die Jugendlichen war das auch immer wie ein Sprung aus der Kindheit in die Welt der junggebliebenen Erwachsenen. In den Wochen vor Ostern wurden die bereits geschleppten Heckenvorräte selbstverständlich an Lagerfeuern „bewacht“ und wo Feuer ist, da sind normalerweise auch geeignete „Löschmittel“ (in BierFlaschen) vorhanden.
Holzvorräte am Hoppenberg- (c) Rüdiger Viebrans
Seit Jahren unverwüstlich – (c) Rüdiger Viebrans
Das „ewige Feuer“ – (c) Rüdiger Viebrans
Heckeschleppen 2022, Flambacher Mühle – (c) Alexander Koch
Ein ganz besonderer Tag ist immer der Ostersamstag gewesen. Erst jetzt wird die gesammelte Hecke zum Aufbau des Osterfeuers verwendet, damit alle Lebewesen in der Hecke die Sicherheit haben, nicht ein Opfer der Flammen zu werden.
Wenn der beste Baum ausgesucht und gefällt wird … – (c) Günther Koch
Die „schönste Fichte“ mußte dann gefällt sein, zum Osterfeuerplatz gebracht, aufgerichtet und fachgerecht abgestützt werden. Da hat man so manche Tricks, damit der Baum nicht schief wird und zu früh umstürzt.
Das ist nur was für „Spezialisten“ – (c) Günther Koch
Zuerst kommt dann in die Baumverstrebung und Abstützung gut entflammbares, aber ausdrücklich nur einwandfrei natürliches Brenngut, damit anschließend die gesammelte Fichtenhecke nur von „besonders bewährten Fachleuten“ rund um den Baumstamm „gebenst“ wird. Aber auch die jüngeren Handlanger haben mit dem anschleppen und richtig anreichen der Hecke alle Hände voll zu tun. Je höher die Hecke über hohe Leitern um den Baum gebenst ist, umso waghalsiger wird es in luftiger Höhe. Da braucht es zwischendurch und zum abschließenden Richtefest auch eine zünftige Stärkung.
Man trifft sich am Lagerfeuer… (c) Günther Koch
Da es meist noch nicht sehr warm in dieser Jahreszeit ist, ist die LagerFeuerstelle gern ein willkommener Aufenthaltsort. Das sehen auch tagsüber schon staunende und fachkundige Besucher oben am Osterfeuerplatz so und freuen sich mit guten Ratschlägen über diese Form von Dorfgemeinschaft. Umso schöner und geselliger ist es, wenn möglichst viele Beteiligte untereinander für zünftiges Picknick und Getränke sorgen.
Im Oberdorf wird ein Harzer Frühstück schon seit Jahrzehnten von einigen Frauen der Aktiven auf den Berg gebracht. Im Unterdorf gibt es zu den samstäglichen Osterfeuer-Aktivitäten auch eine zünftige Harzer Verpflegung mit Mettwurst und Gehacktem. Da läuft einem das Wasser im Munde zusammen …
Der Aufbau des Osterfeuers ist geschafft. Bald geht es los … (c) Jörg Hüddersen
Das Lagerfeuer wird bis zum Abend nachgelegt, weil es dann als „Röstefeuer“ zum entzünden der Holzfackeln gebraucht wird.
Eine große Gemeinschaft – von früh am Morgen bis zum letzten Funken … – (c) Günther KochRösteFeuer – (c) Günther Koch
Erst bei Einbruch der Dunkelheit geht das Fackelschwingen los. Das Fackelschwingen will schon geübt und gekonnt sein, denn erst mit schwungvollen Arm- und Körperdrehungen erreicht die Glut genug Sauerstoff, um einen imposanten Feuerschweif zu erzeugen.
Fackelschwingen – (c) Jörg Hüddersen
Das Osterfeuer entwickelt sich … – (c) Jörg Hüddersen
Dann kommt der große, erwartungsvolle Augenblick. Dazu ist natürlich auch wieder ein „Spezialist“ erforderlich, der unter Beachtung der Windrichtung und der besonderen Aufbaueigenschaften das Osterfeuer ansteckt.
Wenn sich das Feuer langsam von unten entwickelt und sich zur grünen Hecke mit offenen Flammen durchbrennt, ziehen dicke Rauchschwaden von den Osterfeuern beeindruckend erhellt durch das Tal. Das lodernde Feuer erzeugt ein einmaliges Licht und wohltuende Wärme, meist aber auch begleitet von erheblichem Funkenflug.
Wenn dann das ganze Osterfeuer in Flammen steht, hat sich eine richtige Feuersbrunst entwickelt und die Glut rauscht zum Schluß unter ihrem Eigengewicht mit einem beeindruckenden Feuerball zu Boden. Einfach gewaltig!
Wenn sich das Feuer entwickelt … – (c) Günther Koch
Feuersbrunst – (c) Günther Koch
Wenn die Glut zusammengesackt ist … – (c) Günther Koch
Funkenflug – (c) Günther Koch
Aufgabe und Ziel war es, dass das Osterfeuer nicht einseitig abbrennt oder gar umkippt, denn das wird nicht so gut bewertet und bleibt jahrelang fachkundig im Gespräch derer, die es schon mal besser hinbekommen haben.
Ein besonderer Spass ist das gegenseitige schwärzen der Gesichter der oder dem Auserwählten mit holzkohlenschwarzen Händen – und nicht nur bei ganz jungen Menschen hat das auch schon Glück gebracht.
Es ist also angebracht, mit festem Schuhwerk und nicht mit SonntagsKlamotten am Berg zu sein. Der typische österliche Geruch des dicken Qualms hängt noch wochenlang in den Kleidern und Brandlöcher vom Funkenflug sind auch nicht ausgeschlossen. Alles in Allem ein riesiger Spass für Jung und Alt und die Freude klingt noch lange nach und stärkt die Absicht, um selber wieder einmal aktiv dabei zu sein.
Auch dieses Jahr laufen die Vorbereitungen für beide Osterfeuer in Lerbach in vollem Umfang am Ostersamstag, 16. April 2022. Bleibt nur zu hoffen, dass die Corona-Pandemie keine weiteren Einschränkungen verursacht.
Eine gute Zeit bis Ostern mit viel Vorfreude auf die Osterfeuer in Lerbach wünscht
Wolfgang Gärtner
www.interform.de – gaertner@interform.de – 0211.403411
Hiermit erkläre ich, dass evt. Fehler bei den Quellenangaben unbeabsichtigt sind.
25.03.2022: Aktuelle Anmerkung zum diesjährigen Ablauf:
Ja, es wird Ostern 2022 ein Osterfeuer in Oberlerbach geben. Zumindest sieht es im Moment danach aus. Unser Feuer wird weitaus kleiner sein und zum letzten Mal in grün. Das Fichtensterben zwingt uns zur Suche nach Alternativen. Symbolisch wollen wir nach 2 Jahren die Tradition endlich wieder aufleben lassen. Jeder ist herzlich willkommen das Feuer mit uns abzubrennen.
Eine Bewirtung wird es diesmal allerdings nicht geben.
Der Ortsrat Lerbach hat am 14.03.22 einen sogenannten Vorbehaltsbeschluss gefasst. Dieser besagt, dass das Feuer stattfindet, wenn die infektionsrechtlichen Rahmenbedingungen und örtlichen Gegebenheiten eine vernünftige Durchführung unter zumutbarem Aufwand erlauben. So oder ähnlich ist es bei den anderen Feuern im Kreis, die stattfinden sollen, auch geregelt. Sollten uns also nicht beherrschbare Kontrollregeln zu Ostern auferlegt werden, kann das Feuer nicht stattfinden. Drücken wir uns deswegen die Daumen und freuen uns auf Ostersamstag. Ab 19 Uhr auf dem Osterfeuerplatz in Oberlerbach unter dem Marienblick.
Alexander Koch für Oberlerbach,
inhaltlich abgestimmt mit Rüdiger Viebrans entsprechend für Unterlerbach